Donnerstag, 27. Februar 2014

Push it to the limit: China wins





Es ist schon lustig, vor welchen Sachen man sich manchmal in die Hose macht, und am Ende werfen einen ganz andere Dinge aus der Bahn. Shanghai hat uns gezeigt, wo der Hammer hängt. In jeglicher Hinsicht.

Im Vorfeld waren wir ultranervös wegen des Visums für China. Wir hatten nämlich keins. Und wir hatten auch keine Lust, uns um ein normales zu kümmern wegen des abartigen Aufwands. Stattdessen wollten wir eine Lücke nutzen: Man darf nämlich ohne Visum in bestimmten chinesischen Städten für 72 Stunden bleiben, auch in Shanghai. Das haben wir mehrfach im Internt gecheckt, trotzdem standen wir wie zwei Schulkinder in Shanghai am Flughafen und hatten Angst, dass man uns gleich wieder aus dem Land rausschmeisst. Aber der Stempel war kein größeres Problem, wir mussten nur diversen Grenzbeamten brav versichen, dass wir in 72 Stunden wieder Leine ziehen. Im Geiste haben wir uns mehrfach gehighfivet als wir mit unseren Rucksäcken den Terminal verliesen. Und dann gings los. Eine Reihe von Vorfällen, mit denen wir null gerechnet hätten.

Erst hat der Geldautmat unsere Kreditkarte gefressen. Erklär das mal ohne jegliche Kenntnisse der chinesischen Sprache. Nachdem eine Stunde später ein netter Herr, den Automaten aufgeschraubt hat, hatten wir das Ding wieder. Zum nächsten Automat: Auszahlung verweigert. Supi. Im dritten Stock spuckte dann einer Yuan aus.

Weiter mit der Ubahn, denn angeblich liegt unser Hotel gleich neben einer Station, wozu also ein Taxi bemühen? Hätte man sich mal die Fahrdauer durchlesen sollen: Anderthalb Stunden später aussteigen. Drehkreuz nimmt mein Ticket nicht, ich kann den Ubahnhof erst verlassen, nachdem ein Engländer mich zu einem Aufseher bringt. Thanks for that. Hoch auf die Straße, es regnet. 5 Grad. Wir hatten zwar eh schon alles annähernd Warme an, was wir besaßen, aber 5 Grad und fieser Regen sind natürlich immer stärker.

Bisher hat uns unsere Offline Map immer geholfen, eine App, die einem im Ausland auch ohne Internetverbindung den Weg weist. In Shanghai verließ uns unser Glück. Das Hotel war falsch markiert. Knapp zwei Stunden irrten wir mit unserem gesamten Gepäck rund um den Ji An Tempel im strömenden Regen.  Nach dem Weg fragen? Wie ohne Chinesisch? Dass kaum einer Englisch sprechen würde in China, war uns klar. Bei diesem Wetter multipliziert sich die Hilflosigkeit. Aber wir Schlaumeier haben ja mitgedacht und uns Name und Adresse des Hotels auf chinesisch ausgedruckt. Resultat: Jeder schickt uns in eine andere Richtung, Taxifahrer nehmen uns nicht mit, weil die Strecke zu kurz ist, können uns aber auch nicht deuten, wo genau das Hotel ist. Garniert mit: Eiskaltem Regen. Auf dem Rücken: 20 Kilo Gepäck, die massiv nach unten ziehen. Schwer und nass.

Unsere Erlösung folgt wieder mit einem Briten: Er googelt unser Hotel auf seinem Handy und zeigt uns den Weg. Völlig aufgelöst kommen wir an, schmeißen unsere Sachen ins Eck und spurten gleich wieder los. Wir waren ja mit Xifan verabredet. Die meisten von euch kennen sie, für alle anderen: Xifan ist eine sehr schlaue Freundin von mir, die zwar in großen Teilen in Deutschland aufgewachsen ist, ursprünglich aber aus dem chinesischen Süden kommt. In Shanghai arbeitet sie als Journalistin und gewinnt dafür zu Recht Preise.

Xifan hat uns in ein hammermäßig gutes Restaurant ausgeführt, für uns Essen bestellt und einmal mehr bewiesen, dass China nicht aus paniertem Huhn mit süß-saurer Soße besteht. Selten haben wir so gut gegessen. Außerdem hat sie uns noch eine Reihe von Sachen aufgeschrieben, die wir machen sollen. Und alle waren super. Klar, weil nämlich Xifan super ist. Leider musste sie am nächsten Tag zum Arbeiten wegfliegen und wir waren wieder auf uns allein gestellt.



Und da kommen wir eigentlich zur Crux von allem: China ist garantiert ein großartiges Land, aber ohne jemanden, der die Sprache spricht und sich auskennt, behält es seine Geheimnisse und sein gutes Essen für sich. Erst recht in 72 Stunden.

Shanghai ist eine wahnsinnig schöne Stadt (Word!!!) und im Vergleich zum Rest pillepalleeinfach zu bereisen. Trotzdem blieben wir ausgesperrt, obwohl wir uns größtmöglich bemüht haben.

Am Ende sind wir mit unserem Mut auch ins größte Klischee getappt: Wir waren tapfer in einem Hinterhof essen, aber die Textur unseres Gerichts hat einige Fragen aufgeworfen. Ich habe Xifan am Abend den Namen unseres Essens fotografiert und gewhatsappt. Sie hat sehr gelacht.

Es war Frosch. Aber ein ziemlich leckerer Frosch.

Unser Resümee zu China: Jeder muss wissen, wann er sein eigenes Reiselimit erreicht hat. Unseres ist China. China ist einfach zu hart. Ich verstehe jeden, der mit dieser Kultur nicht klarkommt. Wir haben uns auch schwer getan aus vielerlei Gründen. Aber hey: die Chinesen sind in der Überzahl.

China wins. Always.










Donnerstag, 20. Februar 2014

The Angry Mop (sic!)



Eindringlich warnte man uns vor Macau. In vielen Emails wurde die kleine Halbinsel an der chinesischen Küste als "grauenvoll", "schrecklich" und "pure Zeitverschwendung" beschrieben. Wir haben diese Beschreibung mit großem Ernst zur Kenntnis genommen und uns gewappnet. Danke nochmal. (Überhaupt Danke für all die Tipps, die ihr mir immer schickt. Bitte nicht aufhören!)

So und ab jetzt verfällt meine Atmung in unregelmäßiges Schnappen, meine Pupillen führen ein Eigenleben getrennt voneinander und meine Arme überzieht eine wellenförmige Gänshaut bis direkt unter die Ohrläppchen: Macau ist das größte Gambling-Zentrum der Welt!!!! Wie könnte ich das auslassen? Ich mit den eindeutigen Neigungen zum Exzess? Ich, die von Spielautomaten magisch angezogen wird? Ich, die in Las Vegas fast an einer Slot Machine engeschlafen ist, weil ich so lang dranhing?

Natürlich ist das nicht gesund. Natürlich sind solche Neigungen irritierend. Aber hey: Andere werden schwach bei Schokokuchen, italienischen Schuhen oder Fußballergebnissen. Ich bin latent periodisch spielsüchtig. Jetzt ist es raus. Bääm.

Zu meiner Verteidigung: Ich nehme auf keinen Fall eine Kreditkarte mit und nur ein begrenztes Budget. Wenn das aufgebraucht ist, geh ich heim. Außerdem spiele ich grundsätzlich nur im Pillepalle-Bereich. Und: Ich gewinne ziemlich oft. Bei dem ganzen Pech, das ich sonst so habe, finde ich auch, dass das der angemessene kosmische Ausgleich ist.

Macau jedenfalls ist brachiale Gewalt. So viel größer als Vegas, vollgestopft mit unglaublich reichen Chinesen, die natürlich - wer hätte es gedacht - durch ihren Reichtum nicht netter werden. Es gibt nichts außer Casinos. Nicht mal Supermärkte. Man kann schlicht keine Cola im Umkreis von mehreren Kilometern kaufen. Dafür Gold, Diamanten, Uhren und Pradataschen. Nachts muss man aufpassen, dass man nicht totgefahren wird. Allerdings nicht, weil der Verkehr so chaotisch ist, sondern weil die Kombination "besoffener Chinese + Maserati" einfach keine besonders brillante Idee ist, aber minütlich auftritt.

Es gibt keinen Strip wie in Vegas, bye bye Atmosphäre. Dafür ist das Venetian hier ist das sechstgrößte Gebäude der ganzen Welt, Wynn, Sands und Co. stehen dem in nichts nach. Das Venetian hat einen künstlichen Himmel, chinesische Gondolieri, die "Oh Sole Mio" singen, und eine Arena, die so groß ist, dass im März die Stones hier auftreten. Der Mann und ich wohnen im Vergleich günstigen Lisboa Hotel, hier kostet die Nacht im billigsten Zimmer 300 Euro. Wir bleiben zwei Nächte, haben ein Promo-Angebot gefunden und all unsere Agoda-Reward-Punkte verbraten. So zahlen wir nur einen winzigen Bruchteil, Gott sei Dank. Unser Bad ist ähnlich geschmacklos wie der Rest der teuren Einrichtung hier, aber wir haben einen Whirlpool. Leider habe ich 15 Minuten gebraucht, um heraus zu finden, wie man das Panel bedient. Gehört ab jetzt mit zu den demütigendsten Momenten meines Lebens: Nackt und frierend in einer Regenwalddusche-Whirlpool-Kombi stehen, wild Knöpfe drücken und dann plötzlich Wasser von unten rechts gegen die Arschbacke gespritzt bekommen. Kalt.

Wegen des Mangels an Supermärkten ist aber die gesamte Minibar im Preis enthalten und drei Pornokanäle. Chinesische Pornos sind wirklich merkwürdig ...

Ähnlich merkwürdig ist der wilde Mix aus chinesischer Todes-Architektur und portugiesischen filigranen Häuschen. Macau war lange eine portugiesische Kolonie, deshalb wird hier neben chinesisch sowohl portugiesisch gesprochen als auch geschrieben. Unser Glück, denn mit chinesisch kommen wir ja nicht weit. Verständigen können wir uns hauptsächlich mit deuten und blöd schauen. Meistens klappt's.

In Macau gibt es auch eine eigene Währung: Macau Pataka, abgekürzt MOP. Pataka konnten wir uns lange nicht merken, Mop schon. Deshalb nennen wir das Geld in der Mehrzahl "Möppe". Ich denke, man merkt langsam, dass wir in unserer Pärchenisolation auch ein wenig merkwürdig werden. Wie eben alles um uns herum.

So oder so: Ich hab beim Spielen einen Haufen Möppe gewonnen, verloren, gewonnen, verloren. Und hatte einen Heidenspaß dabei. Letztendlich konnten wir uns aber vom Gewinn einen New York Cheesecake und zwei Wan Tan Suppen kaufen. Per deuten, wie sonst?

Die Fotoshow beginnt heute mit unserem  HSE-24-verdächtig schönen Badezimmerboden. Enjoy!





















Dienstag, 18. Februar 2014

Hong Kong Hustle




Zwei Weiße in komischen Klamotten stehen vor einem Gucci-Geschäft und zischen sich an. Gestikulieren wild. Gifteln rum. Augen werden gerollt. Hände in die Luft geworfen. Er in Jeans und T-Shirt, sie in komischen bunten Hosen mit Regenjacke. Menschen in sündhaft teuren Anzügen und Kostümen laufen vorbei, tragen Aktenköfferchen, nehmen keinerlei Notiz von den zwei in ihren Zirkusklamotten. Vielleicht eine Straßen-Performance?

Nein! Das sind Hertel und Loetzbert in Hong Kong, während sie ausdiskutieren, wer jetzt angefangen hat, blöd zu sein.

Kurzum: Der Kulturschock könnte gößer nicht sein, die Nerven sind ein wenig seiden.

Sonntag sind wir gelandet, empfangen hat uns kaltes, trübes Wetter. Tapfer sind wir zu unserem (sehr, sehr) schicken Hotel marschiert und haben uns wie die Irren über eine heiße Dusche mit diesem crazy thing called "Wasserdruck" gefreut. (Das Hotel trägt "YMCA" im Namen, bei einem Zimmerpreis von 100 Euro die Nacht, ist das eher ein lustiger Witz, über den keiner lacht.)

Hong Kong ist unfassbar. Unfassbar groß. Unfassbar eng. Und leider auch unfassbar teuer. Noch nie habe ich so viele Designerklamotten am lebenden Objekt gesehen. Eine Dame kam mir sogar mit einer Tasche entgegen, von der ich mit hundertprozentiger Sicherheit weiß, dass sie 8000 Euro kostet. Und das war keine Fälschung. Hier reihen sich Rolex, D&G, Prada und der Rest der Edelmarken Hauswand an Hauswand. Besagte Hauswände sind so hoch, dass die Spitzen in tuffigem Nebel verschwinden. Dazwischen schreiten wichtige Bankmenschen auf und ab und retten die Welt. Diesen Gesichtsausdruck tragen sie zumindest konsequent.

Obwohl sich der Hertel und ich ja eigentlich hauptsächlich mit diesem ganzen Lifestyle-Krimskrams befassen zuhause Dank unseres Jobs, erstaunt es doch sehr, wie viele sich den Tand doch leisten können. In Deutschland fühlt sich das immer nur hypothetisch an. Hier ist es kollektive Wirklichkeit. Und natürlich habe ich mich erwischt, wie ich mit den Fingerspitzen verliebt über eine Chanel-Tasche fuhr. Ganz sachte ...

Aber im Kontrast zu unseren letzten Monaten befinden wir uns im Moment auf einem völlig anderen Planeten. Das ist einerseits gut für die Rübe und hält sie wendig, anderseits auch ein bisschen anstrengend. Dennoch sind wir frohgemut, dass ganz bald die Gewöhnung einsetzt. Auch wenn selbst Straßen-Essen plötzlich über 10 Euro pro Gericht kostet. Ist ja nicht so, dass wirs hier scheiße finden. Nennen wir es euphemistisch "Umstellung".

Diese Umstellung führte uns auch vor Augen, dass wir eingekleidet sind wie direkt von der Heilsarmee. Der Mann in sonnencremgelben T-Shirts, ich in floralen Schlafanzug-Hosen. Verschämt habe ich mich sofort nach Ankunft in meinen schwarzen Regenparka gehüllt und mir sogar mal sowas wie eine Frisur gemacht. Schon beeindruckend, wie schnell mich meine Umgebung stumm anweist, mich ihr anzugleichen.

Jetzt besitze ich eine kleine Tüte unauffälliger neuer Klamotten. Von H&M, leider nicht von Chanel. Am wichtigsten waren mir allerdings neue Socken. Durch Laundry-Schwund hatte ich nur noch 3 Paar. Hust. Mein Vorschlag, die Chanel-Tasche praktisch als Regenschutz auf meinem Kopf einzusetzen, wurde abgelehnt.

Mein neuer perfider Plan: Morgen ganz viel Geld im Casino in Macau gewinnen. Dann tut es auch nicht mehr so weh, dass uns Hong Kong gerade ein bisschen arm macht.

Zur zeitlichen Überbrückung gebe ich mich derweil dem animierten H&M-Plakat drüben auf der anderen Seite des Ufers hin. Da zieht sich nämlich jeden Abend in einer Endlosschleife die singuläre Gehirnzelle David Beckham aus. Könnte also schlimmer sein ...