Dienstag, 18. Februar 2014

Hong Kong Hustle




Zwei Weiße in komischen Klamotten stehen vor einem Gucci-Geschäft und zischen sich an. Gestikulieren wild. Gifteln rum. Augen werden gerollt. Hände in die Luft geworfen. Er in Jeans und T-Shirt, sie in komischen bunten Hosen mit Regenjacke. Menschen in sündhaft teuren Anzügen und Kostümen laufen vorbei, tragen Aktenköfferchen, nehmen keinerlei Notiz von den zwei in ihren Zirkusklamotten. Vielleicht eine Straßen-Performance?

Nein! Das sind Hertel und Loetzbert in Hong Kong, während sie ausdiskutieren, wer jetzt angefangen hat, blöd zu sein.

Kurzum: Der Kulturschock könnte gößer nicht sein, die Nerven sind ein wenig seiden.

Sonntag sind wir gelandet, empfangen hat uns kaltes, trübes Wetter. Tapfer sind wir zu unserem (sehr, sehr) schicken Hotel marschiert und haben uns wie die Irren über eine heiße Dusche mit diesem crazy thing called "Wasserdruck" gefreut. (Das Hotel trägt "YMCA" im Namen, bei einem Zimmerpreis von 100 Euro die Nacht, ist das eher ein lustiger Witz, über den keiner lacht.)

Hong Kong ist unfassbar. Unfassbar groß. Unfassbar eng. Und leider auch unfassbar teuer. Noch nie habe ich so viele Designerklamotten am lebenden Objekt gesehen. Eine Dame kam mir sogar mit einer Tasche entgegen, von der ich mit hundertprozentiger Sicherheit weiß, dass sie 8000 Euro kostet. Und das war keine Fälschung. Hier reihen sich Rolex, D&G, Prada und der Rest der Edelmarken Hauswand an Hauswand. Besagte Hauswände sind so hoch, dass die Spitzen in tuffigem Nebel verschwinden. Dazwischen schreiten wichtige Bankmenschen auf und ab und retten die Welt. Diesen Gesichtsausdruck tragen sie zumindest konsequent.

Obwohl sich der Hertel und ich ja eigentlich hauptsächlich mit diesem ganzen Lifestyle-Krimskrams befassen zuhause Dank unseres Jobs, erstaunt es doch sehr, wie viele sich den Tand doch leisten können. In Deutschland fühlt sich das immer nur hypothetisch an. Hier ist es kollektive Wirklichkeit. Und natürlich habe ich mich erwischt, wie ich mit den Fingerspitzen verliebt über eine Chanel-Tasche fuhr. Ganz sachte ...

Aber im Kontrast zu unseren letzten Monaten befinden wir uns im Moment auf einem völlig anderen Planeten. Das ist einerseits gut für die Rübe und hält sie wendig, anderseits auch ein bisschen anstrengend. Dennoch sind wir frohgemut, dass ganz bald die Gewöhnung einsetzt. Auch wenn selbst Straßen-Essen plötzlich über 10 Euro pro Gericht kostet. Ist ja nicht so, dass wirs hier scheiße finden. Nennen wir es euphemistisch "Umstellung".

Diese Umstellung führte uns auch vor Augen, dass wir eingekleidet sind wie direkt von der Heilsarmee. Der Mann in sonnencremgelben T-Shirts, ich in floralen Schlafanzug-Hosen. Verschämt habe ich mich sofort nach Ankunft in meinen schwarzen Regenparka gehüllt und mir sogar mal sowas wie eine Frisur gemacht. Schon beeindruckend, wie schnell mich meine Umgebung stumm anweist, mich ihr anzugleichen.

Jetzt besitze ich eine kleine Tüte unauffälliger neuer Klamotten. Von H&M, leider nicht von Chanel. Am wichtigsten waren mir allerdings neue Socken. Durch Laundry-Schwund hatte ich nur noch 3 Paar. Hust. Mein Vorschlag, die Chanel-Tasche praktisch als Regenschutz auf meinem Kopf einzusetzen, wurde abgelehnt.

Mein neuer perfider Plan: Morgen ganz viel Geld im Casino in Macau gewinnen. Dann tut es auch nicht mehr so weh, dass uns Hong Kong gerade ein bisschen arm macht.

Zur zeitlichen Überbrückung gebe ich mich derweil dem animierten H&M-Plakat drüben auf der anderen Seite des Ufers hin. Da zieht sich nämlich jeden Abend in einer Endlosschleife die singuläre Gehirnzelle David Beckham aus. Könnte also schlimmer sein ...












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