Sonntag, 19. Januar 2014

Harder, Faster, LOUDER! Mit H.P. Baxxter im wilden Süden



Myanmar ist superschön.
Myanmar ist superanstrengend.

Willkommen in einer Zwickmühle.

Aber zuerst ein bisschen Klugscheißerei: Durch das Militärregime befindet sich Myanmar in einem undurchdringlichen Chaos aus absurdem Regelwerk. Das hat man jetzt schon ein-, zweimal im Stern gelesen. Sicher auch im Reiseteil der Zeit. Und wahrscheinlich sogar bei Bild Plusminusquatschinator. Das in Kombination mit der unfertigen Infratstruktur macht das Ganze ziemlich nervig. Bedeutet: Vorankommen dauert sehr lange, der Standard für Hotels ist eine Katastrophe, die Menschen sind durch die gefühlt ewige Isolation oft wahnsinnig gleichgültig. Vor allem ihren Mitmenschen gegenüber. Und irgendwann ersticken sie in ihrem eigenen Müll wie Indien.

Ein Beispiel: Um ein Hotel zu führen, braucht man eine spezielle Genehmigung und muss eine horrende Hotelsteuer an den Staat abliefern. Das macht das Übernachten extrem teuer (nicht unter 70 Dollar pro Nacht) und in vielen Ort gibt es gar keine Übernachtungsmöglichkeit. Englisch spricht niemand vom Personal, macht das Einchecken ungleich amüsanter. Bei Privatleuten kann man aber auch nicht schlafen, darauf steht höchste Strafe (mindestens 5 Jahre Gefängnis). Damit das auch ganz bestimmt rauskommt, gibt es angeblich eine ähnliche Bürgerspitzelpolizei wie damals in der DDR.

So ein Durchschnittszimmer ist shabby like hell. Deshalb bleibt man nie länger als maximal zwei Nächte. In der Hoffnung morgen mal in einem ordentlichen Zimmer zu schlafen. Leider ist die Reisegeschwindigkeit aber so langsam, dass man kaum vorankommt. Die Aussicht aus Zug und Bus ist jetzt auch nicht permanent so krass schön, dass man vor Freude weinen muss.

Aber jetzt mal Farbe an die Wand, wie Herr Brecheis gerne so schön sagt. Hier in Beispielen:

Bei meinem letzten Post waren wir im touristisch erschlossenen Bergdorf Kalaw. Dort wollten wir einen Tag verschnaufen, buchten zwei Nächte per Internet bei der Auswahl von .... tadaa: zwei Hotels. Das völlig aus Holz bestehende Honey Moon Hotel (kein Witz) wurde zuletzt 1978 abgestaubt, keiner spricht Englisch, mei, hilft nix. Nach einer Nacht mussten die Allergietabletten raus. (Hyper, Hyper!)

Wir mit dem Zug zum Inle See, 4 Stunden für 78 Kilometer. (Move Your Ass)

Mit dem Flugzeug zurück nach Yangon, weil der Bus 18 Stunden gedauert hätte. (Don't Waste No Time)

Von dort mit dem Bus zum Golden Rock in 6 Stunden inklusive ohrenbetäubender Gebets-CD und burmesischem Disco-Pop in Endlosschleife. (Maria I like it loud)

Mit einem abartig vollgestopften Truck rauf auf den Golden Rock, kauernd auf einem Reissack, eingekesselt von zwei sich anschreienden Italienern. (Harder, Faster, Louder)

Wieder runter mit dem Ding, 6 Leute in einer Reihe, in der 4 Platz haben. Insgesamt 10 Reihen. Steigung galore. (Always Hardcore)

3 Stunden auf den Zug nach Moulmein gewartet, der dann für 150 Kilometer 7 Stunden fährt und dabei fast aus den Schienen springt. (Fire!)

Dazu mussten wir noch froh sein, denn fast hätten wir kein Ticket bekommen: Einer unserer Dollarscheine war verknittert, den konnte der Bahnhofsverkäufer auf gar keine Fall nehmen. Auf die 50-Dollar-Note, die wir auch noch hatten, konnte er leider nicht rausgeben. Mit Kyat konnten wir aber auch nicht zahlen, weil man das als Tourist nicht darf. Warum? Weil halt. Das hätte er uns schon in den 3 Stunden, die wir gewartet haben, sagen können, aber Tickets werden leider erst 20 Minuten bevor der Zug eintrifft verkauft. Und wann das genau ist, weiß nur er. Der Rest des Landes mag verweichlicht sein, aber hier im Süden hält man sich an die Regeln. Word!

Aber das Highlight ganz zum Schluss: Eigentlich wären wir am 23. von Yangon aus zurück nach Bangkok geflogen, der schlaue Hertel hat aber rausgefunden, dass der Grenzübrgang nach Thailand im Süden bei Mae Sot seit Neustem geöffnet ist. Und noch besser: Nok Air fliegt in 25 Minuten von Moulmein nach Mae Sot. Das ist deshalb toll, weil zwischen beiden Städten ein feines Gebirge liegt. Außerdem hat der Mann so ein Ding mit dem Wort "Nok" laufen. Das findet er so granatengeil, dass er es mehrmals am Tag sagt, immer wenn irgendwo ein Werbebanner auftaucht oder auch einfach so. Noknoknoknok... Ich hinterfrage das nicht, ich hab ja auch mehr als 18 Schrulligkeiten, die noch dazu weit schlimmer sind. Zwischendurch bekommt er einfach ein Nok-Sage-Limit (nur noch dreimal heute).

Wir also heute morgen zum Flughafen getrabt, der sich als ein Haus erwies, das so aussieht (nein, ich habe nichts vom Gesamtgebäudekomplex auf dem Bild weggelassen - das ist der GANZE Flughafen):


Ein Mann kommt herausgelaufen: "Sorry, no Nok Air today, runway broken. Come back 3 days."

Wir also ratlos auf die Straße zurückmarschiert und am nächsten Eck einen Sammeltaximann gefragt, ob er uns mit zurück in die Stadt nehmen kann. Mann kann kein Englisch, holt Verwandten, diskutieren, Verwandter findet uns blöd, kommt ganz nah an mein Gesicht und blökt mich an. Ich umgedreht und schnell weggegangen. Mit meinem halben Schwein aka Rucksack auf dem Rücken und zwei Taschen.

Wisst ihr, wenn man 3 Wochen lang jeden Tag in einem Fortbewegungsmittel sitzt, das Stunden irgendwohin braucht und nachts in shabby beds schläft, wird man irgendwann dünnhäutig. Trotz Sonne und warm.

Ich also: Tobsuchtsanfall. Tränen. Geduldsfaden gerissen. Zischhhhhh

Dank einem Passanten, den mein Tobsuchtsanfall bei seinem Morgenkaffee ereilt hat, sitzen wir wenig später in einem Toyota, der uns zur Grenze bringen soll. Doch es wird noch absurder. Aufeinmal tauchen zwei Typen in gelben Nok-Air-Polo-Hemden auf (wir befinden uns mittlerweile am anderen Ende der Stadt, weiß Gott wie die uns gefunden haben) und gestikulieren von der anderen Straßenseite. Nok Air hat ernsthaft zwei Mitarbeiter losgeschickt, um uns zu suchen und nen Transport an die Grenze klarzumachen. Gut: Insgesamt wären auch nur 3 Leute in der Maschine gesessen (eeeek!) und auer uns befinden sich keine weiteren Ausländer in der Stadt. Mit der dritten Person fahren wir also an die Grenze. 7 Stunden. Für 110 Kilometer. Auf einer Schlaglochpiste, die man pro Tag nur in eine Richtung befahren darf. Heute war unser Glückstag, denn heute ist von-Myanmar-nach-Thailand-Tag, morgen wieder andersrum. Als wir an der Grenze ankommen sind wir beide mit unseren Nerven durch. Und wir müssen etwas einsehen:

Myanmar kann man nur dann kommod bereisen, wenn man unfassbar viel Kohle und Bock auf eine Rentner-Reisegruppe hat. Leute in unserem Alter haben wir fast nie getroffen. Dafür haben wir ein superlässiges älteres Lehrerehepaar (um die 60?) von der Ostsee kennengelernt im Zug. Wenn ich groß bin, möchte ich auch so cool sein wie Uwe und Christiane. (O-Töne Christiane: "Ach, wir buchen einfach immer ein paar Tage vorher im Internet mit unserem Airbook .... Ich kann dir die Bilder in die Drop-Box legen ... Das ist mein zweites Sabbatical ...")

Selbst wenn man sich also selbst alles zusammenstellt, frisst es ein großes Loch in die Reisekasse. So ist man immer angetrieben weiterzukommen, auf der Suche nach einem Ort zum Durchschnaufen. Den gibt es in Myanmar nicht.

Trotzdem würde ich es immer wieder machen. (Endless Summer)





 Ja, wir sitzen schon alle im LKW. Geladen sieht er dann so aus:

Für Abwechslung beim dreistündigen Warteaufenthalt sorgt Albert, der Ziegenbock.







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